Archäologie 

Ausgrabungen und Dokumentation

Vergangenheit aus dem Boden

Viele Jahrhunderte der Münchner Stadtgeschichte waren lange Zeit unter dem Rasen des Marienhofs verborgen.

Neben schriftlichen und bildlichen Quellen sind es vor allem die Hinterlassenschaften im Boden, die wertvolle Hinweise auf die Vergangenheit geben.

Bevor der Bau der neuen unterirdischen Station am Marienhof begann, wurden hier archäologische Ausgrabungen durchgeführt, Funde fachgerecht geborgen und dokumentiert.

Notwendigkeit von archäologischen Untersuchungen am Marienhof

Bei der Fläche Marienhof handelt es sich um ein Bodendenkmal im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes. Bodendenkmäler sind die beweglichen oder unbeweglichen Sachen, bei denen es sich um Zeugnisse, Überreste oder Spuren menschlicher Kultur handelt, die im Boden verborgen sind oder waren. Das Bayerische Denkmalschutzgesetz fordert die Erhaltung der Bodendenkmäler vor Ort („in situ“). Durch den Bau neuer Infrastruktur ist dies oft nicht möglich. Um wenigstens einen Teil der in den Bodendenkmälern gespeicherten Informationen in Form von Plänen, Daten und Beschreibungen zu bewahren, kommen archäologische Methoden zum Einsatz. Deshalb wurden am Marienhof, im Herzen der Münchner Altstadt, die besten Zeugnisse der Stadtgeschichte archäologisch ausgegraben und – so gut wie heute irgend möglich – dokumentiert, damit kommende Generationen diesen Teil der Münchner Geschichte mit Hilfe dieser Dokumentationen besser verstehen können.

Erste Ausgrabungen bereits 1989

Bereits 1989 wurden erste archäologische Untersuchungen nördlich des Rathauses durchgeführt. Diese Grabungen machten nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder sichtbar, was der Zweite Weltkrieg vernichtete. Überraschend war es, dass sich in und unter den Bauten des 19. Jahrhunderts Münchner Stadtgeschichte bis in das Mittelalter erhalten hat.

Eine weitere Möglichkeit, einen Blick unter die Oberfläche zu werfen, ergab sich 2002/2003 anlässlich zweier Startschächte für die Bahnsteigerweiterungen der U-Bahn unter dem Rathaus.

Ausgrabungen für den Bau der 2. Stammstrecke

Im Vorfeld des Baus der 2. Stammstrecke wurde vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege eine archäologische Ausgrabung auf dem Marienhof gefordert. Sie fand von April 2011 bis Oktober 2012 statt und wurde auf Grundlage der Ausgrabungserkenntnisse von 1989 sowie der Untersuchungen aus den Jahren 2002 und 2003 detailliert geplant. So konnten Kosten und Untersuchungszeiten exakt kalkuliert und sinnvoll in den Gesamtablauf integriert werden.

Kurz nach dem offiziellen Baubeginn der 2. Stammstrecke im April 2017 fand dann eine dritte und abschließende archäologische Grabungskampagne bis zum Juni 2019 am Marienhof statt. Die archäologische Ausgrabung umfasste nicht nur das künftige Baufeld für die unterirdische Station am Marienhof, sondern auch die Bereiche, in denen zum Beispiel Leitungen und Kanäle umverlegt werden müssen.

Das wurde gefunden

Insgesamt wurden über 250.000 Einzelobjekte wie Keramik, Gläser und Stoffreste geborgen. Sämtliche Funde wurden gereinigt, verpackt und mit Fundzetteln versehen, um sie später dem jeweiligen Fundort wieder zuordnen zu können. Teilweise werden die Funde auch konserviert, um sie für zukünftige wissenschaftliche Arbeiten aufzubewahren oder sie in Museen zeigen zu können.

Sämtliche Fundsituationen und Einzelfunde wurden zeichnerisch und fotografisch dokumentiert. Außerdem wurden Vermessungen mit modernster Messtechnik durchgeführt. Die abschließend erstellte ausführliche Grabungsdokumentation umfasst insgesamt 74 Aktenordner mit Berichten, Befundbüchern, Übersichtsplänen, Fotos und vielem mehr.

Den Flyer zu den archäologischen Ausgrabungen am Marienhof finden Sie hier.

 

Beispielbilder

Kochtopf mit Speiseresten, frühes 14. Jhd. n. Chr.

In einem Kochtopf befanden sich noch Reste einer verbrannten Speise. Untersuchungen dieser Reste sowie umfangreiche Funde von Fruchtkernen, Samen und Tierknochen geben Hinweise auf die Ernährung des mittelalterlichen Bürgers.

Armbrustnuss, 14./15. Jhd.

Die Ambrustnuss aus einem Geweihstück ist das Herzstück einer Armbrust, vergleichbar dem Schloss einer Pistole. Im Wilbrechtsturm waren die Waffen der Stadt deponiert. Funde aus Keramik, Knochen, Glas, Leder oder Holz belegen den Alltag der Menschen, die hier wohnten.

Teekanne

Am 17.12.1944 und am 07.01.1945 zerstörten alliierte Bomberverbände große Teile der Münchner Innenstadt. In der Januarnacht versanken auch die Häuser auf dem heutigen Marienhof in Schutt und Asche. Aus den Kellern der zerstörten Häuser konnten viele Gegenstände aus dieser Zeit geborgen werden.

Weiterführende Informationen finden Sie in den Dokumenten zum Download:

Ausstellung am Marienhof

 

Leporello zur Stadtgeschichte

Anhand eines rekonstruierten alten Stadtplans und mit Texten, Fotos und alten Planausschnitten werden einige stadtgeschichtlich besonders interessante Bereiche des Münchner Marienhofes vorgestellt und näher erläutert.

Die Geschichte des Marienhofs

Tief in die Stadtgeschichte Münchens

Die Grabungen am Marienhof wurden ein Ausflug tief in die Stadtgeschichte Münchens: Der größte Teil der fußballfeldgroßen rund 110 mal 95 Meter großen Freifläche liegt innerhalb des ältesten Stadtkerns aus dem 12. Jahrhundert. Der nördliche Randbereich gehört der Stadterweiterung aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert an. Der Name „Marienhof“ jedoch ist jüngere Geschichte.

Welche Bedeutung hat der Marienhof in der Geschichte der Metropole?

In den Zeiten der Stadtgründung Münchens im 12. Jahrhundert standen hier am Marienhof die ersten Häuser – und die Mauer der Stadt. Sie durchquerte das Quartier in leichter Schrägführung von Ost nach West zwischen der ehemaligen Gruft- und der Schrammerstraße.

Um 1270 beginnt die Stadterweiterung und eine zweite Stadtmauer wird gebaut. Damit wird die Stadtmauer auf dem heutigen Marienhof überflüssig. Die Fläche wird bebaut. Die sogenannten Mauergrundstücke sind zunächst in herzoglichem Besitz und werden auch von ihm vergeben.

 

In dem Bereich zwischen den beiden nördlichen Stadttoren verbleiben die beiden äußeren Grundstücke relativ lange in der Hand des Herzogs. Die mittleren werden an Juden übereignet, die unter dem Schutz des Herzogs standen. Sie sind bereits für 1229 in München überliefert. Der herzogliche Schutz bewahrte die Münchner Juden allerdings nicht vor der Gewalt der großen Judenverfolgung am 12. Oktober 1285. Schließlich veranlasste 1442 Herzog Albrecht III. die endgültige Vertreibung der Juden.

Eine Synagoge auf dem ehemaligen Grundstück Gruftstraße Nr. 1 wird das erste Mal 1380 erwähnt. Die zwei Häuser Gruftstraße 1 und 2 spielen bis zur Vertreibung der Juden eine zentrale Rolle im jüdischen Gemeindeleben. 1442 gehen die beiden Grundstücke aus jüdischem Besitz zunächst an den Leibarzt Herzog Albrechts III. Er baut die im Haus gelegene Synagoge zu einer Kirche um, der sogenannten Gruftkirche, nach der auch die Straße später benannt ist. Vorher hieß sie Judengasse.

Parzelleneinteilungen bereits aus dem 12. und 13. Jahrhundert

Wie die bisherigen Untersuchungen gezeigt haben, gehen die verschiedenen Parzelleneinteilungen bis in das 12./13. Jahrhundert zurück. Das Holzmodell des Straubinger Drechslermeisters Jakob Sandtner ist die früheste Darstellung des Viertels um 1570 bis 1572. Zu jener Zeit wohnen in diesem Teil der Stadt neben Handwerkern und Gastwirten viele Beamte und Hofbedienstete in direkter Nähe zu ihrem Arbeitgeber. Hier sind auch die Ratsfamilien Ligsalz, später Preysing, Törring und Mändl zu finden.

Um 1585 erfährt die Bebauung nördlich der Landschaftstraße eine gravierende Veränderung: Mit dem Abbruch des Hauses Nr. 5 und der Anlage des „Zwerchgässels“ oder auch „Kleiner Landschaftsgasse“ wird die Landschaftstraße mit der Gruftstraße verbunden.

Die kleinteilige Bebauung ändert sich im 17. Jahrhundert. 1627 stellt Kurfürst Maximilian I. der Begründerin des „Ordens der Englischen Fräulein“, Maria Ward, das Anwesen Weinstraße 13 zur Verfügung. Es wird neu bebaut. Nach der Säkularisierung des Klosters 1802/1803 und dem Umbau des Gebäudes zieht hier die Polizeidirektion ein.

Von der „Blauen Traube“ zum „Englischen Hof“

Das zur Dienerstraße liegende Ende dieses Bebauungsblockes erfährt im 19. Jahrhundert ebenfalls eine radikale Veränderung. Nachdem unter der Familie Mändl mehrere Parzellen zu einem großen Grundstück zusammengefasst wurden, ließ ein neuer Besitzer 1850 das Hotel „Zur Blauen Traube“ errichten. Von 1869 bis 1882 dienten einige Räume der Münchner Börse, 1869 wurde hier der Deutsche Alpenverein gegründet. Nach einem Besitzerwechsel 1872 nannte sich das Hotel „Englischer Hof“. 1898/99 wurde das Gebäude zu einem Luxushotel umgebaut, in den 1930er Jahren schließlich zu einem Verwaltungsgebäude.

Zerstörung und Neuanfang

In den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges am 18. März 1944, am 17. Dezember 1944 und am 7. Januar 1945 ist das Viertel hinter dem Rathaus schließlich untergegangen. Nach den Enttrümmerungsarbeiten 1945 erhielt der Platz seine heutige Form.

Wie sieht es heute am Marienhof aus? Was ist für die Zukunft geplant?

Auch in seiner jüngeren Geschichte wurde der Marienhof mehrfach verändert: Bis 1971 war er öffentlicher Parkplatz, zwischen 1966 und 1967 diente er zudem als Baustelle für den U-Bahnhof „Marienplatz“. Von 1971 bis 1973 befand sich auf dem Marienhof der Infopavillion für die Olympischen Spiele.

Bis 1991 wurde der Marienhof als Festplatz mit Parkplatz, danach bis 2011 ausschließlich als Grünanlage genutzt. Hier standen auch 35 japanische Schnurbäume, die vor den archäologischen Grabungen 2011 in die städtische Baumschule in München-Allach verpflanzt wurden.

Nach Abstimmung zwischen dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München wurde die Grabungsfläche nach Abschluss der archäologischen Erkundungen Mitte Oktober 2012 zunächst wieder verfüllt. Damit steht sie nun bis zur Fortführung der Bauarbeiten für die 2. Stammstrecke wieder für die Öffentlichkeit zur Verfügung.

Der Parkcharakter des Marienhofs soll auch nach dem Bau der 2. Stammstrecke erhalten bleiben. Ergebnis eines Gestaltungswettbewerbs der Stadt München ist eine Grünanlage mit Bäumen als Umrahmung. Von der Station der 2. Stammstrecke werden nur ein Teil der Aufzüge und Treppenhäuser bis an die Oberfläche geführt.

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